Das Entwicklungstrauma ist den meisten Menschen unbekannt
Entwicklungstrauma von Hochsensibilität unterscheiden – Teil 3 von 3
Im dritten Teil zu dem Beitrag – „Hochsensibilität von Trauma unterscheiden“, erfährst du den Unterschied zwischen einem Schocktrauma und einem Entwicklungstrauma. Den meisten Menschen ist nicht bekannt, dass auch der Verlauf der Geburt oder die Form der Erziehung eine Traumatisierung zur Folge haben kann.
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Das Schocktrauma
ist das allgemein geläufige Trauma. Hier gab es eine einmalige Situation, zum Beispiel einen Unfall, als Auslöser. Die Negativerfahrung ist im Gehirn gespeichert. Unser Organismus möchte uns nun vor weiteren Erfahrungen dieser Art schützen und geht hormonell in „Habachtstellung“. Die Folge ist eine innere Wachheit, die sich häufig in Unruhe und Anspannung und einer erhöhten Reaktion auf Sinnesreize zeigt. Gibt es dann später einen Reiz, der an diese Situation erinnert (Trigger), werden wir emotional aus dem Stresstoleranzfenster geschleudert und reagieren mit heftigen Angriff/Flucht-Reaktionen (Der Sympathikus wird aktiviert, das Stresstoleranzfenster wird überschritten) oder wir kollabieren (Der Parasympathikus wird aktiviert, wir gehen nervlich unter das Stresstoleranzfenster).
Nach der Verarbeitung des Traumas gehen die Betroffenen wieder auf ihr ursprüngliches Erregungs- und Sinneswahrnehmungsniveau zurück.
Das Entwicklungstrauma oder auch Komplextrauma
Hier ist der Betroffene wiederholt durch toxischen Stress überfordert. Das Vorderhirn und der Hippocampus schalten sich ab und wir reagieren instinktiv mit archaischen Verteidigungsreaktionen. Das Entwicklungstrauma konkretisiert eigentlich den Begriff des Komplextraumas, da es sich speziell auf unsere Erfahrungen im frühen Kindesalter bezieht.
- Wie werden wir erzogen?
- Was prägt uns in dieser Zeit?
- Wie ist die Bindung zu den Bezugspersonen?
Gerade wenn wir im ersten Lebensjahr mit ständigen negativen Erfahrungen aufwachsen, erleben wir das als toxischen Stress. Dieser Stress hat in der Regel ein Entwicklungstrauma zur Folge. Toxischer Stress kann entstehen durch:
- Gewalterfahrungen psychischer und physischer Art.
- Überbehütung
- Erziehung zur Angst (die Welt da draußen ist schlecht, nur hier bist du sicher)
- Zwanghaftes Umfeld
- Sehr rigide Erziehung
- Verwahrlosung
- Permanente Grenzüberschreitung
- Fehlendes Spiegeln der kindlichen Wahrnehmung und der kindlichen Gefühle
- Keine Unterstützung der Stressregulation durch die Eltern (z. B. das Baby schreien lassen)
- Fehlender Kontakt – körperlich und emotional. Viele Menschen können sich nicht mehr angemessen mit ihrem Kind beschäftigen. Ihnen fehlen selbst die entsprechenden Erfahrungen.
Erziehung ist ein Abbild aus unseren Erfahrungen und Möglichkeiten.
Unsere Erziehung ist immer noch geprägt aus den Vorstellungen des dritten Reiches. Babys sollte man schreien lassen, damit sie lernen, sich selbst zu regulieren und den Eltern nicht auf der Nase rumtanzen. Die damals propagierte Erziehung war eine Anleitung zur Bindungsunterbrechung und damit zur frühkindlichen Traumatisierung.
Leider halten sich einige extrem schädigende Ehrziehungsvorstellungen bis heute noch hartnäckig. Eltern, die ihre Kinder wie oben genannt behandeln, tun das nicht, weil ihnen ihre Kinder egal sind. Sie selbst sind geprägt von ihrer eigenen Geschichte, ihren Bindungserfahrungen und ihrem Wissen. Viele sind selbst traumatisiert. Jeder erzieht nach seinen Möglichkeiten. Bei einigen sind diese Möglichkeiten einfach begrenzt.
Hochsensibilität und Trauma zusammengefasst:
- Es gibt hochsensible traumatisierte HSP und ausschließlich traumatisierte Menschen.
- Leidest du sehr stark unter der Hochsensibilität, ist die Wahrscheinlichkeit, dass du traumatisiert bist, groß.
- Viele HSP sind ausschließlich traumatisiert. Sie sind durch das Trauma übersensibilisiert, aber nicht hochsensibel im eigentlichen Sinne. Die Fachsprache nennt das Hypervigilanz.
- Man unterscheidet zwischen Schock- und Entwicklungstrauma.
- Um Traumatisierungen aufzulösen, braucht es kompetente therapeutische Unterstützung.